Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 (III): 8 Fragen an die SPD

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 (III): 8 Fragen an die SPD

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 (III): 8 Fragen an die SPD

Wie steht die SPD zur Zukunft der privaten Altersvorsorge, zur Dualität in der Vertriebsvergütung, Provisionsdeckel und weiteren regulatorischen Maßnahmen? VOTUM hat nachgefragt - und Antworten bekommen!

1. Die Coronavirus-Pandemie hat wie ein Brennglas Schwachstellen und Missstände der Leistungsfähigkeit des deutschen Staates aufgedeckt. Wie steht Ihre Partei zu der Position, dass die nächste Legislaturperiode zur staatlichen Modernisierung und Neuaufstellung genutzt werden sollte?

SPD: Die Corona-Pandemie war und ist für Bund und Länder eine enorme Herausforderung. Die Herausforderungen eines modernen Bevölkerungsschutzes dürfen aber nicht zu Aktionismus verleiten. Vorhandene Strukturen und Expertise müssen konsequent genutzt werden. Wichtig ist, die Diskussion um eine mögliche Verfassungsänderung hinsichtlich der Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit Augenmaß, Sachverstand und Weitsicht zu führen. Das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz BBK ist auch vor dem Hintergrund unserer digitalisierten Welt weiter zu stärken und zu einer echten Sicherheitsbehörde auszubauen. Das BBK soll eine zentrale Rolle bei der strategischen Bevorratung und Beschaffung von Schutz- und Versorgungsmaterialien erhalten. Die Erkenntnisse von LÜKEX-Übungen und Risikoanalysen müssen verpflichtend berücksichtigt und das gesamtstaatliche Lagebild aufgewertet werden.

2. Welchen Stellenwert misst Ihre Partei der Tätigkeit der unabhängigen Versicherungs- und Kapitalanlagevermittler bei?

SPD: Ehrliche und faire Versicherungs- und Kapitalanlagevermittler*innen üben eine wichtige Funktion aus, denn viele Verbraucher*innen sind bei ihren Anlageentscheidungen auf Expertenwissen angewiesen. Wir erwarten von Vermittler*innen und Berater*innen, dass sie ihre Beratung ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden erbringen. Bei Beratungs- und Vermittlungsgesprächen sollten Verbraucher*innen diejenigen Finanzanlagen angeboten werden, die für sie individuell passen, die also angemessen und geeignet sowie kostengünstig sind.

3. In welche Richtung wünschen Sie sich eine Weiterentwicklung der Branche im Laufe der 20. Legislaturperiode und darüber hinaus – für welche konkreten Themen macht sich Ihre Partei im Bereich der Finanzmarktregulierung stark?

SPD: Wir brauchen einen leistungsfähigen, sicheren und fairen Finanzmarkt, um den Wandel in eine digitale und nachhaltige Wirtschaft finanzieren zu können. Er muss ordentlich reguliert und überwacht werden. Wir werden sicherstellen, dass den Verbraucher*innen die Finanzierungsdienstleistungen kostengünstig angeboten werden und Investitionen in nachhaltige, klimafreundliche Produkte und Produktionsverfahren fördern. Für das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit von Finanzmarktakteur*innen und Finanzprodukten ist es gerade für Kleinanleger*innen wichtig, dass sie eine unabhängige und an ihren Interessen orientierte Beratung erhalten können. Zins- und Provisionswucher werden wir abstellen.

4. Setzen Sie auf eine 1:1-Umsetzung von europäischen Richtlinien im Bereich der Finanzmarktregulierung? Oder würden auch – notfalls mittels eines nationalen Alleingangs – erweiterte Anforderungen für den deutschen Markt entwickeln?

SPD: Soweit es im Einzelfall sinnvoll ist und es das EU-Recht zulässt, werden wir auch über eine 1:1-Umsetzung von europäischen Richtlinien im Bereich der Finanzmarktregulierung hinausgehen.

5. Wie positionieren Sie sich zu Vertriebsvergütung? Sollen Beratung und Vermittlung künftig zwingend auf Basis eines Honorars vergütet werden, oder streben Sie eine Beibehaltung des Nebeneinanders der beiden Vergütungswege Honorar/Provision an? Stellt ein gemischtes Modell für Sie eine Option dar?

SPD: Wir setzen uns für eine faire Vergütung des Vertriebs von Finanzanlagen ein, die Anleger*innen vor überzogenen Kosten schützt und gleichzeitig ehrlichen und fairen Berater*innen und Vermittler*innen ein auskömmliches Einkommen ermöglicht. Überhöhte Provisionen, die zu Lasten der Verbraucher*innen gehen, werden wir deckeln. Ein generelles Provisionsverbot lehnen wir hingegen ab.

6. Wollen Sie die Investitionen in nach ESG-Kriterien als nachhaltig einzuordnende Finanzprodukte zusätzlich politisch fördern? Wenn ja, welche Anreize sind beabsichtigt?

SPD: Die Bundesregierung hat auf Vorschlag von Olaf Scholz und Svenja Schulze die Deutsche Sustainable Finance-Strategie beschlossen, die die erforderlichen Schritte hin zu einem nachhaltigen Finanzmarkt aufzeigt. Das Ziel ist, Klimaschutz und die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft bis spätestens 2045 zu finanzieren. Dafür müssen Kapitalströme von den fossilen Ressourcen in Zukunftsinvestitionen umgeleitet werden. Der Finanzsektor spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Wir haben eine bessere Nachhaltigkeit und Transparenz bei den Kapitalanlagen des Bundes durchgesetzt. Diesen Weg wollen wir in der nächsten Wahlperiode fortsetzen, bis wir nicht mehr in fossile Energieträger investieren. Weiterhin werden wir die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in eine innovative Transformationsbank weiterentwickeln. Wir wollen eine verbesserte Aufsicht durch die Stärkung von Nachhaltigkeitsexpertise bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Private Investor*innen und Kreditgeber*innen sollen bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken- und Wirkungen mehr Transparenz erwarten können. Die EU-Taxonomie schafft eine gemeinsame Sprache über das, was “nachhaltig” messbar bedeutet. Gerade in Corona-Zeiten muss die Sozialtaxonomie gemeinwohlorientiertes Unternehmertum einfacher machen. Wir wollen Anleger*innen die Entscheidung für nachhaltige Geldanlagen durch eine “Nachhaltigkeitsampel” einfach machen.

7. Die Altersvorsorge in Deutschland basiert bekanntermaßen auf den drei Säulen gesetzliche Rente, betriebliche Altersvorsorge und private Altersvorsorge. Wollen Sie dieses System beibehalten? Welche Reformen haben Sie für dieses System geplant? (Bitte nach Säulen aufgliedern)

SPD: Zentrale Grundlage für eine gute und verlässliche Rente bleibt für uns die gesetzliche Rentenversicherung. Wir wollen die gesetzliche Rente stärken und stehen für eine dauerhaft stabile Rentenleistung und ein dauerhaftes Rentenniveau von mindestens 48 Prozent.

Wir wollen, dass deutlich mehr Beschäftigte in einer betrieblichen Altersversorgung abgesichert sind. Dabei sollten tarifvertraglich vereinbarte kollektive Altersversorgungsformen bevorzugt werden. Zudem setzen wir uns für die vollständige Abschaffung der Vollverbeitragung sowie der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten in der gesetzlichen Krankenversicherung ein.

Eine ergänzende private Altersvorsorge ist kein Ersatz für die gesetzliche Rente. Die bisherigen Ergebnisse der Riester-Rente sind nicht zufriedenstellend. Wir wollen daher bei privaten Angeboten der Altersvorsorge bürokratische Hemmnisse abbauen und Kosten senken. Um den Bürgerinnen und Bürgern eine attraktive private Altersvorsorge zu ermöglichen, setzen wir uns für ein neues standardisiertes Angebot ein, das kostengünstig ist, digital und grenzüberschreitend und von einer öffentlichen Institution angeboten wird. Die Förderung neuer Verträge in Form von Zuschüssen werden wir auf untere und mittlere Einkommensgruppen beschränken.

8. Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Zustand des Verbraucherschutzes? Befinden sich die Standards auf einem ausreichend hohen Niveau, oder ist ein Ausbau notwendig? Falls Sie einen Ausbau für notwendig halten: In welchen Bereichen des finanziellen Verbraucherschutzes sehen Sie Handlungsbedarf?

SPD: Das Niveau des Verbraucherschutzes in Deutschland ist im internationalen Vergleich hoch. Die Verbraucherrechte konnten wir in der ablaufenden Legislaturperiode durch mehrere Gesetzesinitiativen deutlich stärken (bspw. durch das Gesetz für faire Verbraucherverträge). Das ist für uns aber kein Grund beim Verbraucherschutz nachzulassen. Nicht erst seit der Corona- Pandemie sind jedoch Schwachstellen zu Tage getreten.

Gerade im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes gibt es viele Punkte, die wir verbessern wollen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher leiden unter hoher finanzieller Belastung, ausgehend bspw. von Kurzarbeit. Um mit den Risiken einer möglichen Überschuldung umgehen zu können muss die Schuldnerberatung gestärkt werden. Wir wollen eine gesetzliche Grundlage schaffen, die für alle Ratsuchenden flächendeckend einen kostenlosen Zugang zur Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung ermöglicht. Hierfür wollen wir auch das Angebot verbessern und für eine bessere Finanzierung sorgen.


Vorherige Meldung

Nächste Meldung