Wirecard Skandal – Bundesregierung zieht weiterhin nicht die richtigen Lehren für die Stärkung der BaFin

Pressemitteilung

Wirecard Skandal – Bundesregierung zieht weiterhin nicht die richtigen Lehren für die Stärkung der BaFin

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke mitgeteilt, dass sie an ihren Plänen zur Verlagerung der Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler auf die BaFin festhält.

Berlin, 15.10.2020 – Lesen Sie hierzu den Kommentar von Rechtsanwalt Martin Klein, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VOTUM Verbandes unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen:

Die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zeigt, dass die Regierung aus dem Wirecard Skandal weiterhin nicht die richtigen Lehren gezogen hat. Zudem ignoriert sie die Markt- und Konzentrationsauswirkungen, die eine Verlagerung der Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler auf die BaFin mit sich bringt, trotz entgegenstehender Einschätzungen seitens der BaFin. Letzteres beruht offenbar auch darauf, dass sich deren Vizepräsidentin, Elisabeth Roegele, im Rahmen der Anhörung im Finanzausschuss am 27.05.2020 höchst widersprüchlich eingelassen hat.

- Bundesregierung negiert Konzentrationswirkung –

In ihrer Antwort führt die Bundesregierung unter Ziffer 8. aus:

„Die Bundesregierung sieht keine Anzeichen dafür, dass es nach der Umsetzung des Gesetzes zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die BaFin zu einem schnellen Rückgang der derzeitigen gut 37.000 Erlaubnisinhaber kommen wird, wobei davon ausgegangen wird, dass die ganz überwiegende Zahl der Finanzanlagenvermittler, die einer Vertriebsgesellschaft angehören oder sich anschließen, auch künftig eigenständige Erlaubnisinhaber sein werden.“

Dies offenbart bereits die Unkenntnis des vorliegenden Gesetzesentwurf. Dieser sieht eindeutig vor, dass Anlagevermittler entweder eine eigenständige Erlaubnis haben oder aber Ausschließlichkeitsvertreter einer Vertriebsgesellschaft sind. Beides gleichzeitig wäre widersinnig.

Der Trugschluss geht offenbar auf eine Äußerung der BaFin im Rahmen der Anhörung zurück.

- BaFin äußert sich widersprüchlich –

Die Vizepräsidentin, Elisabeth Roegele, hat als Sachverständige im Rahmen der Anhörung im Finanzausschuss auf die gleichlautende Frage wie folgt geantwortet:

„Sie haben gefragt, wie sich die Zahl der Erlaubnisträger entwickeln wird. Wir gehen davon aus, dass wir 37.000 bis 38.000 registrierte Erlaubnisträger haben. Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Anzahl der Erlaubnisträger wesentlich reduziert. Viele Erlaubnisträger werden sich aber Vertriebsgesellschaften anschließen. Mit diesen Prämissen haben wir kalkuliert. Sollte sich der Trend fortsetzen, hätten wir eine Verlagerung zu den Vertriebsgesellschaften. (…) Wir haben im Hinblick auf die Umlagepflicht damit kalkuliert, dass etwa die Hälfte der Erlaubnisträger künftig bei Vertriebsgesellschaften angesiedelt ist und die andere Hälfte als Einzelumlagepflichtige tätig ist.“

Mit anderen Worten, die BaFin geht selbst davon aus, dass wenigstens die Hälfte der derzeitigen selbständigen Berufsträger ihre eigenständige Erlaubnis aufgeben und unter das Dach einer Vertriebsgesellschaft schlüpfen.

Entweder hat die Bundesregierung dies bisher nicht wahrgenommen, oder sie versteht ihr eigenes Gesetz nicht, denn diejenigen Finanzanlagenvermittler, die einer Vertriebsgesellschaft angehöhren, sind nach der Konzeption des Gesetzes tatsächlich keine eigenständigen Erlaubnisinhaber, sondern bedürfen dieser gerade nicht.

Entgegen der Darlegung der Bundesregierung kommt es damit auch zu einer Konzentration in diesem Marktsegment.

- Finanzpolitiker der CDU/CSU lehnen Gesetzesentwurf ab –

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Fraktion haben deutlich erkannt, dass der geplante Gesetzesentwurf sich auch gegen die selbstständige Existenz der betroffenen Finanzanlagenvermittler richtet. Es ist etwas ganz anderes, wenn man seinen gewählten Beruf auf Grund einer eigenständigen Berufszulassung ausübt, oder nur von der bestehenden Erlaubnis eines Vertragspartners partizipiert und damit nicht nur ein stückweit die Eigenständigkeit verliert, sondern auch im Falle eines Wechsel der Partnerschaft dem Risiko ausgesetzt ist, eine eigenständige Tätigkeit nicht mehr weiter verfolgen zu können.

Eine solch mittelstandsfeindliche Politik, die sich unmittelbar gegen die Selbstständigen richtet, sollte in der Union zu Recht weiter auf Widerstand stoßen.
Gerade die zitierte Äußerung von Frau Roegele hat im Rahmen der Anhörung im Finanzausschuss zu einem erheblichen Befremden geführt, umso unverständlicher ist es, dass sich die Bundesregierung in ihrer Antwort ahnungslos gibt.

- Internationale Geldwäsche ist keine Aufgabe von Landesbehörden

Von erschütternder Naivität oder aber Unkenntnis zeugt aber auch, dass die Bundesregierung die Aufrechterhaltung ihrer Pläne, die Aufsicht über die freien Finanzanlagenvermittler auf die BaFin zu übertragen, weiterhin mit einer Stärkung der Geldwäscheaufsicht begründet.

Hier heißt es in Antwort 2:

„Laut Koalitionsvertrag soll zur Herstellung einer einheitlichen und qualitativ hoch-wertigen Finanzaufsicht die Aufsicht über die freien Finanzanlagenvermittler schrittweise auf die BaFin übertragen werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass die dadurch bei den Ländern freiwerdenden Aufsichtskapazitäten zur Stärkung der Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzbereich verwendet werden. Der Fall Wirecard zeigt, dass die Geldwäscheaufsicht auf Länderebene gestärkt werden sollte.
Zudem folgt aus den Vorkommnissen um Wirecard ein Bedarf hinsichtlich einer Stärkung hoheitlicher Aufsichtskompetenzen im Bereich des Anlegerschutzes und der Finanzmarktaufsicht.“

Dieser Teil der Antwort der Bundesregierung lässt befürchten, dass die richtigen Lehren aus dem Wirecard Skandal weiterhin nicht gezogen wurden. Wirecard ist ein Exempel dafür, dass eine Geldwäscheaufsicht auf Länderebene im Fall derartig international tätiger Finanz- und Zahlungsdienstleister der völlig fehlerhafte Ansatz ist. Bei Wirecard stritten sich die BaFin und die Bezirksregierung Niederbayern darum, wer die Verantwortung im Bereich der Umsetzung zur Geldwäscheprävention für das Unternehmen trägt. Tätig geworden ist am Ende keiner.

Es kann nicht ernst gemeint sein, dass nunmehr behauptet wird, man kann den Geldwäscheaktivitäten international tätiger Zahlungsabwickler damit begegnen, dass man Mitarbeiterstellen auf der Ebene von Landesbezirksregierungen schafft. Hier muss es eine schlagkräftige Aufsicht bei einer zentralen Behörde, wie es die BaFin idealiter sein könnte, geben. Gerade für solche Aufgaben ist sie prädestiniert, nicht jedoch für Aufsichtsaktivitäten gegenüber regional in Deutschland tätigen Finanzanlagevermittlern.

- Wirecard Skandal kein Beleg für Missstand bei Anlagevermittlern –

Befremdlich ist auch, wenn die Bundesregierung am Beispiel Wirecard ausführt, dass es eine Stärkung der hoheitlichen Aufsichtskompetenzen im Bereich des Anlegerschutzes und der Finanzmarktaufsicht bedarf und hier die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler als vermeintliche Konsequenz anführt.
Im Bereich der Finanzanlagenvermittler hat es in den zurückliegenden Jahren keine Skandale gegeben, die eine Stärkung der hoheitlichen Aufsichtskompetenzen begründen könnten.
Skandalträchtige Missstände sind tatsächlich, wie bei Wirecard, auf der Ebene eines, zumindest teilweise, BaFin überwachten DAX Unternehmens, bei den kontrollierenden Wirtschaftsprüfern und auch bei betrügerisch tätigen Emittenten von Kapitalanlagen zu beobachten. Diese wurden, wie etwa das Unternehmen P & R bei der Zulassung ihrer Kapitalanlageprodukte von der BaFin unzureichend kontrolliert.

Der Fall Wirecard und auch die vorausgegangenen Skandale sind daher keineswegs Indikatoren dafür, dass der BaFin weitere Zuständigkeiten im Bereich der Finanzanlagenvermittler zuzuweisen, sondern tatsächlich ihre Aufsichtskompetenzen in ihrem Kernbereich zu stärken und die Behörde so aufzustellen, dass sie den Skandalen nicht mit Abstand von Jahren hinterherläuft. Auch bei dem am Bankenstandort Deutschland im zweistelligen Milliardenumfang betriebenen Cum-Ex Geschäften hat die BaFin in der Vergangenheit eine unwürdige Zuschauerrolle eingenommen.

Die Bundesregierung tut gut daran, darauf zu achten, dass sich nicht durch Skandale, wie Wirecard und Cum-Ex, bei den Anlegern aber auch bei den kleinen und mittelständischen Steuerzahlern, die bereits zu beobachtende Staatsverdrossenheit verstärkt. Mittelstandsfeindliche gesetzgeberische Eingriffe in einen gut funktionierenden Aufsichtsmechanismus, wie bei den Finanzanlagevermittlern, sind hierfür nicht geeignet.

Für den VOTUM Verband
Rechtsanwalt Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand

Kontakt und Anfragen
Martin.klein@votum-verband.de
+ 49 (0) 30 – 28 88 07 18, www.votum-verband.de

Anbei finden Sie die Pressemitteilung als PDF-Datei.


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