Ein Provisionsrichtwert würde Makler massiv diskriminieren

Ein Provisionsrichtwert würde Makler massiv diskriminieren

„Ein Provisionsrichtwert würde Makler massiv diskriminieren“

Die BaFin denkt über die Einführung eines Provisionsrichtwerts in der Lebensversicherung nach. Warum dies unbegründet geschieht, nutzlos ist und sogar Maklerpools Probleme bereiten kann, erläutert VOTUM-Vorstand Martin Klein im Interview mit Procontra.

procontra: Lange forderte die BaFin für die Lebensversicherung einen Provisionsdeckel, nun bastelt sie an einem Provisionsrichtwert. Was ist der Unterschied?

Martin Klein: Ich würde das mit dem Geschwindigkeitsrichtwert auf der Autobahn vergleichen: Der liegt bei 130 Stundenkilometern. In manchen Abschnitten muss man langsamer und in anderen darf man schneller fahren. Uns interessiert nun vor allem, ob die Versicherer bei einem Provisionsrichtwert der BaFin unter bestimmten Voraussetzungen auch wieder nach oben abweichen können. Denn wenn die Aufsicht die Provisionssätze diktieren möchte, dann sind wir schon wieder im Bereich eines Deckels. Dazu hat die BaFin keine Ermächtigung und dieses Vorhaben ist bekanntlich kürzlich politisch gescheitert, weil die Ampelparteien es nach längerer Diskussion nicht in ihren Koalitionsvertrag mit aufgenommen haben.

procontra: Werden die Lebensversicherer einfach mitziehen, wenn sich die BaFin per Rundschreiben auf einen Richtwert festlegt?

Klein: Das Problem ist, dass die Rundschreiben der BaFin für die beaufsichtigten Unternehmen als verbindlich gelten. Da bedarf es dann schon eines gewissen unternehmerischen Muts, sich zu widersetzen. Auch, weil die BaFin dann wahrscheinlich zum Einzelgespräch einladen und die Beweggründe genau hinterfragen würde. Das würde eine verstärkte Erläuterungsthematik für die Anbieter bedeuten und sie in ihrem marktwirtschaftlichen Verhalten einschränken. Insofern gehe ich davon aus, dass alle Versicherer den Vorgaben eines Rundschreibens folgen würden.

procontra: Rechnen Sie zumindest vorab mit Widerstand der Versicherer?

Klein: Die BaFin hat für die zweite Jahreshälfte eine Konsultation zu diesem Thema angekündigt. Das heißt, hier werden wir als Vermittlerverbände als auch die Versicherer in die Planung mit einbezogen und können dann auch unsere zahlreichen Kritikpunkte vorbringen – Kritikpunkte, die wir übrigens mit wissenschaftlichen Gutachten hieb- und stichfest belegen können.

procontra: Was schätzen Sie denn, wie hoch dieser Provisionsrichtwert nach Vorstellung der BaFin ausfallen wird?

Klein: Ich bleibe bei meiner grundsätzlichen Einschätzung: Es darf keinen derartigen Richtwert geben. Wenn die Aufsicht sich hierzu Gedanken macht, dann wird sie sich sicherlich erst einmal an dem 2019 kursierenden Referentenentwurf zum Provisionsdeckel orientieren, also 25 Promille vom Lebenswert als Basis. Abhängig von qualitativen Merkmalen konnten diese laut damaligem Entwurf auf bis zu 40 Promille steigen.

procontra: Würden die Provisionen für das Gros der Vermittler sinken, wenn die BaFin diesen Richtwert durchsetzt?

Klein: Selbst bei den Umfragen der BaFin kam heraus, dass die Provisionen im Marktdurchschnitt gar nicht über 40 Promille liegen. Ein Richtwert muss also nicht zwingend ein sinkendes Provisionsniveau bedeuten. Aber für die unterschiedlichen Vertriebswege würde es vereinzelt schwieriger werden, eine angemessene Vergütung zu erhalten.

procontra: An wen denken Sie da konkret und warum?

Klein: Ein Makler oder Mehrfachagent muss von seiner verdienten Provision sein eigenes Büro anmieten, seine Computer-Hard- und Software sowie andere Infrastrukturbereiche selbst finanzieren. Hingegen haben wir in der Ausschließlichkeit heute noch Modelle, in denen all das vom Versicherer zur Verfügung gestellt wird. In solchen Fällen ist die Provision nur noch der erfolgsabhängige Teil, weil die Basis schon da ist. Deshalb werden in der Ausschließlichkeit geringere Provisionssätze gezahlt. Wir erinnern die BaFin nahezu täglich daran, dass bei einem so heterogenen Markt wie dem deutschen Finanzvertrieb eine Vereinheitlichung massive Diskriminierung bestimmter Vertriebskanäle zur Folge hätte – eine Diskriminierung, die auch berufliche Existenzen leichtsinnig aufs Spiel setzen würde.

procontra: Würde es dann auch zu Problemen für Maklerpools kommen?

Klein: Ich denke schon, weil die Maklerpools in den meisten Fällen eine Provision erhalten und diese dann größtenteils an den Makler weitergeben. Für viele Versicherer sind die Organisationsarbeit und die Maklerbetreuung, die Pools erbringen, günstiger, als wenn sie dafür selbst Personal vorhalten. Dafür zahlen sie dann eben verhältnismäßig etwas mehr Provision. Das so zu handhaben ist Teil der unternehmerischen Freiheit und ein Provisionsrichtwert würde diese massiv einschränken. Es heißt immer, dass weniger Provision mehr Rendite für die Lebensversicherungskunden bedeuten würde, aber das würde nicht passieren. Denn wenn die Versicherer den Pools weniger Provision bezahlen dürfen, dann würden sie entweder zu Servicegebühren wechseln oder das Geschäft über Pools verkleinern und stattdessen eigene Abteilungen für Maklerbetreuung und Co. aufbauen. Die Kosten wären also nicht geringer, sondern nur auf eine andere Stelle gebucht und wahrscheinlich sogar höher als vorher.

procontra: In der PKV wurde ein Provisionsdeckel gesetzlich verankert. Kann eine Regulierung in Leben nun einfach ohne Gesetzgebung funktionieren?

Klein: Das Wesentliche muss im Parlament besprochen werden. Es kann doch nicht sein, dass für die PKV eine Provisionsgrenze im Gesetz verankert werden musste, eine solche hingegen in der Lebensversicherung einfach von der Aufsicht ausgesprochen werden kann. In der PKV hatten sich damals rund um Mehmet Göker massive Missstände bei der Provisionierung entwickelt, die das nötig machten. Aber in Leben haben wir solche Missstände derzeit keineswegs. Das hat die BaFin in ihren eigenen Marktuntersuchungen übrigens selbst herausgefunden und auch ein rechtliches Gutachten des ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten Dr. Hans-Jürgen Papier hat dies ergeben.

procontra: Zumal die Bemächtigung der BaFin zum Einschreiten bei Provisionsexzessen, laut AfW-Vorstand Norman Wirth, durch § 48a VAG längst vorhanden ist…

Klein: Auch aus unserer Sicht steht der BaFin damit ein Instrument zur Verfügung, um in Einzelfällen direkt auf konkret benannte ‚böse Buben‘ zuzugehen und diese in die Schranken zu weisen. Falls es also solche Einzelfälle überhaupt gibt, dann sollte die Aufsicht den § 48a auch anwenden. Sollte dann in der Praxis ein Gericht befinden, dass dieses Instrument nicht ausreichend genug ist, um die Provisionszahlungen einzelner Unternehmen behördlich zu begrenzen, dann könnte man immer noch über eine gesetzliche Ermächtigung nachdenken. Meines Wissens hat die BaFin diese Variante aber offiziell, also öffentlich bekannt, noch nicht angewandt.

procontra: Warum wendet die BaFin diese Möglichkeit nicht an und schürt stattdessen mit ihrer Provisionsrichtwert-Aussage Unruhe in der Versicherungsbranche?

Klein: Das kann ich wirklich nicht sagen, weil ich keinen vertieften Einblick in die Interna der BaFin habe. Anstatt sich sichtbar um eventuelle Einzelfälle zu kümmern, versteift sich die Behörde seit Jahren auf die allgemeine Regulierung der Provision – erst durch den Deckel, jetzt durch den Richtwert. Es wird dabei auch gerne mit der europäischen Vertriebsrichtlinie IDD argumentiert, zum Schutz der Verbraucher. Aber als Chairman des Europäischen Dachverbandes der unabhängigen Finanzberater und Finanzvermittler FECIF kann ich sagen, dass unsere Finanzaufsicht europaweit die Einzige ist, die über solche pauschalen Regulierungen für alle nachdenkt.

procontra: Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt es zum Provisionsrichtwert hierzulande?

Klein: Die BaFin hat eine klare Agenda. Wir haben gute Gegenargumente. Wichtig ist jetzt, dass möglichst viele Vermittler ihre Verbände dabei unterstützen, dass diese öffentlich gemacht werden und die richtigen politischen Entscheidungsträger erreichen.

Das Interview mit Martin Klein erschien am 03. Juni 2022 bei procontra. Hier finden Sie es im Original.


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