Presseinformation: Reform des europaweiten Altersvorsorgeprodukts PEPP – der Bürokratie-Wolf im Schafspelz

Presseinformation: Reform des europaweiten Altersvorsorgeprodukts PEPP – der Bürokratie-Wolf im Schafspelz



Reform des europaweiten Altersvorsorgeprodukts PEPP – der Bürokratie-Wolf im Schafspelz

Eine Analyse von RA Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des VOTUM Verbands

Berlin, 24. November 2025 – Die EU-Kommission hat ihren Entwurf zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1238 über ein europaweites Altersvorsorgeprodukt (PEPP) vorgelegt.

Zu jedem Reformprojekt gehört erst einmal eine ungeschönte Bestandsaufnahme.

Dieses Prinzip des „Sagen was ist“ muss heute für jeden Politiker Grundlage seines glaubwürdigen Auftritts sein.

Die EU-Kommission ist weiterhin zu dieser von der Bevölkerung zu Recht erwartete Ehrlichkeit nicht bereit. Sie hat mit hochtrabenden Plänen im Jahr 2019 ein Regelwerk für die Verbreitung eines europaweiten Altersvorsorgeprodukts erlassen. Sechs Jahre später ist im Realitätscheck festzustellen, dass es nur in der Slowakei und Zypern zwei Nischenanbieter gibt, die ein PEPP vorhalten. Also ein klarer Fehlschlag?

Folgt man der euphemistischen Wertung der Kommission ist das nur ein Zwischenergebnis: „Das PEPP hat zunächst nicht den erwarteten kommerziellen Erfolg erzielt.“

Schuld an dieser misslichen Situation ist entgegen jeder folgerichtigen Konklusion jedoch nicht die von vornhinein missratene Konstruktion, die viele Marktteilnehmer – so auch den VOTUM Verband - das Scheitern vorausahnen ließ. O-Ton der EU-Kommission: „Der durch die PEPP-Verordnung geschaffene Rahmen hat sich kommerziell nicht ausreichend durchgesetzt, was vor allem auf den starken Wettbewerb durch nationale Produkte und bestimmte einschränkende Merkmale der PEPP-Verordnung zurückzuführen ist.“

Ist man ein Schelm der Böses denkt, wenn man sich fragt, ob bei einem starken Wettbewerb durch nationale Produkte ein Bedarf für ein PEPP überhaupt je bestanden hat?

Die EU-Kommission ficht dies offenbar nicht an. Sie schreitet weiter hoch auf ihrem bürokratischen Ross und meint nunmehr mit ihrem Reformvorschlag die Lösung gefunden zu haben. Diese bedeutet- wen wundert es- ein weiteres Draufsatteln mit noch mehr Regulierung. Ehrlich offengelegt wird dies jedoch erneut nicht, sondern der Kommissions-Wolf kommt im Schafspelz daher.

Wer dachte, dass der Entwurf der Europäischen Kommission zur Reform des europaweiten Altersvorsorgeprodukts - PEPP einen glaubwürdigen Beleg für die ernsthafte Absicht liefert, den Bürokratieabbau voranzutreiben, irrte.

Tatsächlich schafft der Verordnungsentwurf die Grundlage für einen weiteren unübersichtlichen Bürokratieaufbau.

Getäuscht von der Nebelkerze der Kommission, mit dem Entwurf einen starren Kostendeckel für PEPP‘s abzuschaffen, gab es bereits zustimmende Bewertungen der Versicherungs- und Vermittlerbranche zu dieser Vorlage. Diese Einschätzungen werden jedoch bei einer gründlichen Prüfung des Verordnungsentwurfs sicher revidiert werden.

Im Einzelnen:

1. EU-Kommission will den Begriff der unabhängigen Beratung allein definieren

Vorbei an den parlamentarischen Prozessen für maßgebliche Richtlinien, insbesondere der IDD, beabsichtigt die Kommission über die Verordnung zum PEPP den Begriff „unabhängige Beratung“ auch für die Versicherungsvermittlung zu definieren. Dies unternimmt sie, indem sie in der Liste der Begriffsbestimmungen in Artikel 2 der PEPP Verordnung eine Ziffer 34 wie folgt anfügt:

„Unabhängige Beratung“ eine Beratung, bei der der PEPP-Anbieter oder PEPP-Vertreiber:

a) eine ausreichend große Zahl von auf dem Markt verfügbaren privaten Altersvorsorgeprodukten bewertet, die hinsichtlich ihrer Art und ihrer Produktanbieter ausreichend diversifiziert sind, um sicherzustellen, dass die Ziele des potenziellen PEPP-Sparers angemessen erreicht werden können, und sich nicht auf private Altersvorsorgeprodukte beschränkt, die von Unternehmen angeboten oder bereitgestellt werden, die enge Verbindungen zum PEPP-Anbieter oder PEPP-Vertreiber haben;

b) nimmt keine Gebühren, Provisionen oder sonstigen monetären oder nicht monetären Vorteile an, die von Dritten oder im Namen Dritter im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für potenzielle PEPP-Sparer gezahlt oder gewährt werden;“

Es ist eindeutig, dass die EU-Kommission hiermit versucht, der aktuellen Diskussion im Rahmen der Retail Investment Strategie vorzugreifen. Dort wird gerade darüber diskutiert, ob der Begriff der unabhängigen Beratung auch im Bereich der Versicherungsvermittlung ausschließlich auf die Tätigkeit als Honorarberater beschränkt werden kann. Hierzu hat es bisher keinerlei Konsens gegeben und die EU-Kommission unternimmt nunmehr mit der PEPP-Verordnung den Versuch, die Begrifflichkeit der „unabhängigen Beratung“, die wenn überhaupt in einer Richtlinie definiert werden muss, auf dem kurzen Dienstweg festzuzurren. Dies wohl auch, weil sie gemerkt hat, dass sie im Rahmen der Diskussion zur RIS Widerstand nicht nur aus dem europäischen Parlament, sondern insbesondere auch aus den Ländervertretungen erfahren hat.

Es soll an dieser Stelle nicht erneut die Diskussion vertieft werden, ob die Vergütung auf Grundlage des marktüblichen Courtagemodells die Unabhängigkeit des Maklers beeinträchtigt. Der VOTUM Verband sieht dies keineswegs so. Wenn es hier jedoch im Rahmen der Versicherungsvermittlung zu einer Definition dessen kommen soll, was unabhängig bedeutet, so kann diese Definition nicht in einer Delegierten Verordnung erfolgen, sondern allenfalls in der übergeordneten Richtlinie IDD.

2. Keine Beratung bei Basis-PEPPs durch Versicherungs- und Finanzanlagevermittler.

Gänzlich unverständlich wird das Agieren der EU-Kommission beim sogenannten Basis-PEPP. In der geltenden Verordnung ist das Vorhalten eines Angebots für ein Basis-PEPP, die Grundlage dafür, dass derselbe Anbieter auch weitere Produktvarianten anbieten kann.

Diese Verpflichtung soll nunmehr wegfallen, jedoch vereinfacht dies den Vorgang tatsächlich nicht.

Basis-PEPPs sollen zukünftig ausschließlich für das beratungsfreie Geschäft konzipiert werden. Der Vertrieb soll ausdrücklich bevorzugt ohne Beratung stattfinden. Es wird klar festgelegt, dass eine Verpflichtung zur Beratung vor Abschluss eines Basis-PEPPs nicht besteht.

Das Angebot zu einer Beratung bei Abschluss dieser Verträge wird sogar erschwert, in dem festgelegt wird, dass diese Beratung nur auf „unabhängiger Basis“ stattfinden darf.

D.h., immer auf der Grundlage eines umfassenden Marktüberblicks mit dem Vergleich verschiedener PEPP Anbieter und ohne Provisionsvergütung, sondern nur mit einem vom Interessenten gezahlten Honorar.

Damit ist ausgeschlossen, dass zukünftig eine Beratung bei der Vermittlung von Basis-PEPPs durch die Ausschließlichkeitsorganisationen der Versicherungsgesellschaften oder durch Mehrfachagenten erfolgt. Auch Versicherungsmakler und Finanzanlagevermittler, die auf Provisionsbasis tätig werden, werden zukünftig keine Beratung bei der Vermittlung von Basis-PEPPs anbieten können.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass Versicherungsgesellschaften und auch Fondsgesellschaften wenig Anlass haben werden, sich Gedanken darüber zu machen, ein Basis-PEPP zu konzipieren, da ihnen - anders als offensichtlich der EU-Kommission - bekannt ist, dass Altersvorsorgeprodukte ohne Beratung tatsächlich keine Verbreitung finden.

Bei der Komplexität der Entscheidung, wie die beste Altersvorsorge gelingt, ist jeder Verbraucher in der EU gut beraten, wenn er dies auf Basis einer fundierten Beratung entscheidet. Erst dann kann bspw. in Deutschland das Ineinandergreifen der drei Säulen aus gesetzlicher Rente, betrieblicher- und privater-Vorsorge, dem angestrebten Erwerb einer eigenen Immobilie, die Absicherung von Angehörigen, der eigenen Arbeitsleistung sowie aufgebauter eigener Werte in einen schlüssigen Konsens gebracht werden. Der Altersvorsorge breiter Bevölkerungsschichten ist nicht dadurch gedient, beratungsfreies Geschäft auf Online-Plattformen vorzuhalten.

Man muss kein Hellseher sein, dass unter diesen Vorgaben, dem Basis-PEPP das gleiche Schicksal beschieden ist, wie dem derzeitigen nicht vorhandenen PEPP-Angebot.

3. Neue technische Regulierung-Standards für Risikominderungsstrategien

Die Überarbeitung der Verordnung zeigt erneut deutlich, dass die EU-Kommission weiterhin dem Irrglauben aufsitzt, dass sie und die Aufsichtsbehörden die besseren Produktentwicklern sind und offenbart hier erneut ein tiefes Mistrauen in die Lösungskompetenz der privaten Anbieter.

Mit einer neuen Definition wird der Begriff der „Lebenszyklus-Anlagestrategie“ eingeführt.

Dies „bezeichnet eine Anlagestrategie, bei der das mit den Anlagen verbundene Risiko gemäß einem vorab festgelegtem Gleitpfad angepasst wird, um das Anlagerisiko zu mindern und ein angemessenes Maß an langfristiger Bewertung unter Berücksichtigung des Alters oder des Renteneintrittsdatums der Person und ggfls. des Auszahlungsprofil des Produkts, um das Risiko großer Verluste zu minimieren.“(Artikel 1 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 35 neu).

Es überrascht nicht, dass einer solcher Definition die Ermächtigung folgt, dass deren Vorgaben und Kontrolle nach Auffassung der EU-Kommission zwingend von den Aufsichtsbehörden mit technischen Regulierungsstandards festgelegt werden müssen. So findet sich dann auch in Artikel 46 Abs. 3 neu die Ermächtigung der EIOPA, Mindestqualitätskriterien in der Form technischer Regulierungsstandards festzulegen, wie diese Risikominderungstechniken erfüllt werden. Diese technischen Standards sollen von der EIOPA 6 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung vorgestellt werden.

Es zeigt sich hier ein erneutes Beispiel, dass von Bürokratieabbau bei dem neuen Verordnungsentwurf der EU-Kommission tatsächlich nicht ansatzweise die Rede sein kann. Es finden sich vielmehr erneut diverse Ermächtigungen, um weitere technischen Regulierungsstandards vorzugeben und damit dem Zuwachs neuer Bürokratie Tür und Tor zu öffnen.

4. Kostendeckel weg, alles gut?

Man könnte meinen, dass durch die Abschaffung der Verpflichtung, ein Basis-PEPP vorzuhalten nunmehr die große Produktgestaltungsfreiheit ausbricht und die Anbieter sich freudig auf die Möglichkeit stürzen, sogenannte komplexere PEPPs anzubieten, für die sodann sowohl der provisionsbasierte Vertrieb möglich ist als auch ein Kostendeckel nicht beachtet werden muss. Diese Erwartungshaltung wäre naiv.

Tatsächlich greift die EU-Kommission auch hier in der Verordnung bereits den von ihr antizipierten Ergebnissen des RIS-Trilogs vor. Der neu gestaltete Artikel 25 sieht vor, dass die PEPP-Anbieter im Rahmen ihres Produktgenehmigungsverfahrens für die Bewertung des Preis-Leistungsverhältnisses „die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Benchmarks“ nutzen. Selbstverständlich wird die Kommission auch hier ermächtigt, weitere Delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Produktkriterien und Benchmarks für PEPP-Produkte festzulegen.

Die EU-Kommission geht hier fest davon aus, dass sie zukünftig diejenige Behörde ist, die zusammen mit der EIOPA konkrete Preis-Leistungs-Benchmarks für versicherungsbasierte Anlageprodukte festlegt. Wer also glaubt, dass der starre Kostendeckel der Basis-PEPPs, der bisher die Entwicklung dieser Produkte eingeschränkt hat, ersatzlos wegfällt, irrt. Es wird vielmehr mit der neuen Verordnung der Kommission das Recht eingeräumt, ihrerseits für alle PEPP-Produkte Kostengrenzen in Form von Benchmarks festzulegen. Wie diese Festlegung erfolgt, wird sich zukünftig der politischen Kontrolle weitestgehend entziehen.

Unter dem Deckmantel der Abschaffung von augenscheinlichen Kostenbegrenzungen erleben wir hier ein klassisches vom Regen in die Traufe mit einem nochmaligen Zuwachs erheblicher Bürokratie.

Im Ergebnis ist diese Verordnungsentwurf nicht zustimmungsfähig. Das gesamte Gebaren der EU-Kommission ist hier tatsächlich mehr als kritikwürdig. Sie hat im Jahr 2019 mit der PEPP-Verordnung einen überbürokratischen Ansatz gewählt, dessen erwartetes Scheitern von allen Marktteilnehmern vorhergesehen wurde. Der neue Vorschlag ist die Fortsetzung dieses Irrwegs mit anderen Mitteln.


Über VOTUM e.V.

Der VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. ist der Branchenverband der unabhängigen Finanz- und Versicherungsvermittlungsunternehmen mit Hauptsitz in Berlin. Als solcher vertritt VOTUM die Interessen seiner Mitglieder im Rahmen nationaler und europäischer Gesetzgebungsinitiativen und bietet eine Plattform zur perspektivischen Bewertung regulatorischer Rahmenbedingungen.

An die VOTUM-Mitgliedsunternehmen sind rund 100.000 unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler angebunden. Diese beraten mehr als 11 Millionen Verbraucher zu Fragen der Absicherung im Alter, der Vermögensbildung und des maßgeschneiderten Versicherungsschutzes.

Weitere Informationen: www.votum-verband.de

Pressekontakt:
Valentin Ochlich
Vorstandsreferent
VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V.
Friedrichstraße 149, 10117 Berlin
E-Mail: ochlich@votum-verband.de

Till Kerkhoff
Vorstandsreferent
VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V.
Friedrichstraße 149, 10117 Berlin
E-Mail: kerkhoff@votum-verband.de


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