Was kommt nach Riester?

Was kommt nach Riester?

Was kommt nach Riester? Ein Interview von Jan Wagner für CAPinside mit VOTUM-Chef Martin Klein zum aktuellen Stand der Rentenreform.

Jan Wagner: Die Ampelkoalition schreibt im Koalitionsvertrag, sie wolle ein anderes Produkt, das eine höhere Rendite erzielt als Riester, fördern. Was kann man sich konkret darunter vorstellen? Fondsgebundenes Produkt - Fondssparplan?

Martin Klein: Im Koalitionsvertrag wird jeder Punkt und jedes Komma genau bedacht. Deshalb lohnt es sich bei jeder versuchten Interpretation, genau hinzuschauen. In dem im Koalitionsvertrag festgehaltenen Satz „Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen“ ist das letzte Wort entscheidend. Es handelt sich um einen Prüfauftrag – und damit nicht um ein bereits formuliertes konkretes Gesetzesvorhaben.

Klar ist, und da ist der Koalitionsvertrag eindeutig: Die Ampel-Koalition hat sich nach dem drohenden De-Facto-Aus von Riester zum Ziel genommen, die private Altersvorsorge in Deutschland grundlegend zu reformieren. Völlig offen ist aber, auf welche Ausgestaltung sich SPD, FDP und die Grünen am Ende einigen werden. Das kann ein öffentlich verantworteter Fonds sein, ein privates Fondsprodukt sein oder etwas ganz anderes. Bei den Überlegungen hierzu steht man in Berlin noch ganz am Anfang. Die ersten Signale aus dem BMAS zeigen, dass man sich erst auf Reformvorhaben in der gesetzlichen Rente fokussiert. Das Riester Nachfolgeprodukt ist auch deshalb komplexer da es idealerweise mit dem Gesetzvorhaben zur Altersvorsorgepflicht der Selbständigen korrespondiert. Wir erwarten daher frühestens zum Ende des Jahres Konkretes.

Jan Wagner: Handelt es sich hier möglicherweise um eine Nebelkerze - d.h. Die Regierung wird am Ende nichts tun und dafür sorgen, dass Riester einen langsamen Tod stirbt?

Martin Klein: Das ist nicht zu hoffen. Ich bin mir sicher, dass sich die neue Regierung bewusst ist, welcher politische Handlungsdruck im Bereich der privaten Altersvorsorge besteht. Mit der Tatenlosigkeit der Großen Koalition in der vergangenen Legislaturperiode hat man Riester offenen Auges in die Krise geführt. Das zu verhindern, wäre ein leichtes gewesen – denken Sie nur an das Absenken des Garantiezinses, welches mit einer minimalen Gesetzesänderung hätte erfolgen können. Auch wenn es in der dritten Säule auch ohne Riester viele attraktive Produkte gibt, so entsteht nun doch das, was eigentlich alle verhindern wollten: Eine fahrlässige Angebotslücke.

Es ist nur schwer denkbar, dass die Ampel-Koalition gar nichts unternehmen wird, um diese Lücke zu schließen. Auch unsere Gespräche mit diversen Entscheidungsträgern aus Parteien und Ministerien bestätigen, dass man sich dieser Tatsache durchaus bewusst ist.
Dass ein Bedarf für Altersvorsorgeprodukte besteht, die nicht nur steuerlich gefördert werden, belegt die Zahl von 310.000 neu abgeschlossenen Riester-Verträgen im Jahr 2021. Dieses Signal darf keine Regierung übersehen.

Jan Wagner: Ist das Riester-Geschäft auch deshalb tot, weil die Versicherer zunehmend die Rente auf Honorar-Basis anbieten wollen – oder werden wir hier vielleicht mehr Geschäftsdynamik sehen?

Martin Klein: Das Riester-Geschäft ist blockiert, weil die Große Koalition, und hier insbesondere die SPD, vier Jahre lang eine Reform verschleppt hat. Die Kombination aus Höchstrechnungszins nahe Null und einer 100%-Beitragsgarantie ist toxisch. Es ist verständlich, wenn sich Anbieter auf diese unsinnigen gesetzlichen Rahmenvorgaben nicht mehr einlassen wollen. Aufgrund des Rückzugs einer Vielzahl von Anbietern sehen wir keine Basis für eine dynamische Entwicklung. Die guten Zahlen aus 2021 werden in diesem Jahr sicher nicht wieder erreicht.

Jan Wagner: Was müsste/was könnte die Politik machen, um mehr Leute endlich dazu zu bringen, mehr Altersvorsorge zu betreiben? Ist die staatlich verwaltete Altersvorsorge, die auch im Gespräch ist, vielleicht die Lösung?

Martin Klein: Die Altersvorsorge benötigt vor allem Verlässlichkeit. Jeder Einzelne muss sie über Jahrzehnte aufbauen und sich dabei darauf verlassen können, dass bei dem einmal eingeschlagenen Weg nicht auf der vorausliegenden Strecke die Brücken abgerissen werden. Altersvorsorgepolitik darf daher nicht alle vier Jahre einem Kurswechsel ausgesetzt werden. Der Sache wäre daher am besten gedient, wenn man sich parteiübergreifend auf einen langfristigen Kompromiss verständigen würde. Dies scheint jedoch eine Utopie zu bleiben. Dann müssen aber wenigstens die größeren Parteien Stabilität signalisieren. Dies hat die SPD bei der Abkehr von der Riester Versicherung sträflich vernachlässigt. Wir fordern hier erneut, auf dem Pfad der Verbesserung des bewährten Altersvorsorgeprodukts voranzuschreiten und von Abriss und Neuaufbau im Sinne der Nachhaltigkeit abzusehen.

Damit verbunden ist auch die Aufforderung sich mit öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten, die das Misstrauen in eine private Altersvorsorge schüren. Wir haben es in diesem Bereich mit Unternehmen zu tun die über Jahrzehnte – zum Teil Jahrhunderte – ihre Leistungszusagen gegenüber den Vorsorgesparer erfüllt haben. Dies muss auch von Politikern gewürdigt werden, deren propagiertes Leitmotiv Respekt ist.
Von einer staatlich verwalteten privaten Altersvorsorge ist keine Verbesserung zu erwarten.

Es gibt bereits eine staatlich verwaltete Altersvorsorge! Sie heißt „Gesetzliche Rentenversicherung“ und bildet bekanntlich die erste Säule unseres Dreisäulensystems. Mehr Staat braucht es nicht, auch wenn man berücksichtigt wie viele Rentenreformen wir seither erlebt haben. Die eigenständige private Altersvorsorge muss staatsfern bleiben. Dies bedeutet auch, dass sie von einem allzu engen Korsett stattlicher Reglementierung befreit werden muss. Es reicht aus, wenn die Politik verlässlich vorgibt, wer berechtigt ist stattliche Förderung zu erhalten. Die Produktwahl sollte dann dem Kunden zusammen mit seinem Berater überlassen bleiben, ohne dass der Staat hier zu stark einschränkend in die Produktgestaltung eingreift.

Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft – dem erfolgreichsten politischen System der Welt! Auch im Bereich der Altersvorsorge sollten wir uns deshalb auf die Grundfeste der sozialen Marktwirtschaft berufen. Kurz gesagt: Stimmt das Angebot, stimmt auch die Nachfrage. Je besser die Produkte sind, desto mehr Menschen nutzen die Angebote aus der dritten Säule und sorgen privat vor. Nur so können wir ohne Milliarden von neuen Staatsschulden pro Jahr die Rentenlücke gemeinsam schließen.


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