Beratungspflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen - Wie geht's weiter?

Beratungspflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen - Wie geht's weiter?

VOTUM-Chef Martin Klein im Interview mit Finanzwelt über den aktuellen Stand der Umsetzung der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess.

finanzwelt: Wie ist der aktuelle Stand in Brüssel bezüglich der IDD-Beratungspflicht bei Nachhaltigkeitspräferenzen?

Martin Klein: Die gute Nachricht vorweg: Man ist sich in Brüssel bewusst, was für ein enormer Kraftakt hinter der Umsetzung der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess für Produktgeber und Finanzvertriebe steht. Es laufen zahlreiche Gespräche und Konsultationen, um die größten Pain Points zu identifizieren und mögliche Haftungsrisiken entgegenzuwirken. Die jüngste Verschiebung der technischen Regulierungsstandards der Europäischen Kommission auf Januar 2023 spielt dabei eine zentrale Rolle.

Klar ist aber auch: Die Beratungspflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen wird kommen – aller Voraussicht nach unverändert zum 2. August 2022.

finanzwelt: Was tun Sie, um doch noch die richtige Reihenfolge herzustellen: erst RTS, dann IDD-Beratungspflicht bei Nachhaltigkeitspräferenzen?

Martin Klein: Wir nutzen unsere Kontakte zur Politik und zu den relevanten Behörden. Wir stehen sowohl im Austausch mit der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA als auch mit der BaFin, wir haben bereits im Dezember einen offenen Brief an die Kommission geschickt, ebenso sprechen wir mit dem Bundesfinanzministerium.

Von allen Seiten aus wird uns Verständnis für die missliche Lage für Versicherungs- und Finanzanlagevermittler entgegengebracht. Sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch BaFin und EIOPA sind sich der Haftungsrisiken der Vermittler durch das Durcheinanderwürfeln der Implementierungsreihenfolge bewusst.

Leider handelt es sich bei der Umsetzung bekanntlich um mehrere Delegierte Verordnungen, die automatisch in allen Mitgliedsstaaten gleichzeitig in Kraft treten. Eine bereits verabschiedete Delegierte Verordnung zu verschieben, bedeutet einen unheimlich großen gesetzgeberischen Aufwand – ein Kraftakt, bei dem viele Akteure (Fraktionen, Interessengruppen, Behörden) an einem Strang ziehen müssen.

Auch wenn wir nicht lockerlassen, müssen wir deshalb davon ausgehen, dass es beim Inkrafttreten der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess zum August 2022 bleibt und die Branche sich an den bis dahin nur als Entwurf vorliegenden RTS orientieren muss.

finanzwelt: Wie bereiten Sie sich vor, um die Vermittler bestmöglich zu unterstützen, sollte kein Aufschub gewährt werden?

Martin Klein: Die Debatte um den Aufschub sehen wir komplett losgelöst von der Frage der Optimalen Vorbereitung der Vermittler. Denn eines ist klar: Das Thema Nachhaltigkeit wird von Tag zu Tag präsenter im Beratungsprozess – mit oder ohne Abfragepflicht. Diverse Studien zeigen, dass die kundenseitige Nachfrage nach nachhaltigen Versicherungs- und Kapitalanlageprodukten kontinuierlich ansteigt.

Allein schon aus diesem Grund hat der VOTUM Verband bereits Anfang 2021 einen ESG Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich regelmäßig digital trifft und intensiv Lösungen für die Integration der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess erörtert. Über 60 Unternehmen kommen hier spartenübergreifend zusammen – Finanzvertriebe, Maklerpools sowie Versicherer, Kapitalverwaltungsgesellschaften und branchennahe Beratungsgesellschaften. Da geht es um die Formulierung von Fragestrecken, um mögliche Softwarelösungen wie virtuelle Schieberegler für Nachhaltigkeitsanteile im Portfolio bis hin zu Ratings oder Siegel.
In diesem Arbeitskreis werden wir auch Muster-Hinweistexte für die Geeignetheitserklärungen erarbeiten, um Haftungsrisiken für die Vermittlungsunternehmen zu minimieren.

Darüber hinaus engagiert sich VOTUM selbstverständlich auch bei einer möglichen Standardisierung des Abfrageprozesses – so wirken wir zum Beispiel bei der Nachhaltigkeits-DIN mit und sind Forumspartner des europaweit etablierten Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Martin Klein ist Geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa e.V. An die VOTUM-Mitgliedsunternehmen sind 100.000 unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler angebunden. Die Mitarbeiter und Kooperationspartner unserer Mitglieder beraten über 11 Millionen Verbraucher zu Fragen der Absicherung im Alter, der Vermögensbildung und des maßgeschneiderten Versicherungsschutzes.

Kontakt und Presseanfragen jederzeit an:

Filip Schlosser
Leiter Hauptgeschäftsstelle
Friedrichstraße 149
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E-Mail: schlosser@votum-verband.de
Tel.: + 49 (0) 30 – 28 88 07 18


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